Das Uschi-Prinzip


In meinem ersten Jahr an der Uni kaufte ich mir ein Buch, das mir den Weg zum Glück zeigen sollte: Was ist Glück? oder so ähnlich. Ich kriege es nicht mehr ganz zusammen. Es war ein knallgelbes Buch mit einem großen Emoji vorne drauf. Das Buch war als leichte Kost zu verzeichnen und übersichtlich gehalten. Viele Jahre bin ich damit beschäftigt gewesen, unglücklich zu sein und wollte dies nun unbedingt ändern. Warum ich so unglücklich war? Keine Ahnung, wahrscheinlich war mein Kopf darauf programmiert, mich ständig selbst schlechtzureden, zu vergleichen und Neues aufzugeben bevor ich es überhaupt angefangen hatte. „Ein Instrument lernen? Ach, nein, dazu muss ich ja Noten lesen können und das kann ich nicht.“, „Eine neue Sportart anfangen? Um wirklich Profi zu werden, bin ich schon zu alt.“, „Fitness-Studio? Das Kostet ja alles so viel Geld“. Mit 19 dachte ich, ich sei zu dick (53 Kg auf 1,64m) und fühlte mich ungeliebt. Alle meine Beziehungsversuche gingen in die Brüche, ich wurde angelogen, betrogen und verlassen, mehrfach. Ich sehnte mich nach Liebe und Verbindlichkeit.



Bedürfnisse

Ich lernte früh, meine Bedürfnisse zurückzustellen bzw. diese nicht zu artikulieren. Aus irgend einem Grund dachte ich, dass es schädlich sei, zu seinen Bedürfnissen zu stehen. Ich wollte um alles in der Welt bloß niemandem zur Last fallen. Und so lief ich durch die Welt, scheinbar ohne Bedürfnisse und mit dem Wunsch alles allen Recht machen zu wollen und niemanden zu nerven. Ich bin eine Meisterin darin geworden, mich an meine Umstände und Umgebung anzupassen, weswegen ich überall schnell zurecht kam. Ich passte in jedes Gefüge und sagte keinen Mux. Ich dachte, dass es peinlich ist, zu sagen, was man möchte, vor allem gegenüber Männern. Es erschien mir geradezu anmaßend, eine Forderung an jemanden zu stellen, weswegen ich immer diese Menschen bewunderte, die mit einer dumm-dreisten Leichtigkeit durch's Leben schwebten und denen alles gelang.


Eines Tages fiel mir ein kitschiges Buch in die Hand, welches Das Uschi-Prinzip hieß. Uschis sind Frauen, die Männer quasi im Griff haben, sie beeindrucken nicht durch ihr Können oder ihre Künste, sondern dadurch, dass sie dreist und süß durch's Leben flattern und immer das bekommen, was sie wollen. Beispiel: Wenn du einen Tequila mit einem Mann trinkst, dann gib keine guten Ratschläge, sondern frag ihn mit einer liebevollen Stimme „Duuu, wie war das noch mal? Erst die Zitrone, dann das Salz?“ - und schwups, hast du seine Aufmerksamkeit. Was auf den ersten Blick wie eine Oppositionsbewegung des Feminismus klingt, öffnete mir die Augen. Ich darf also anderen zur Last fallen? Es ist vielleicht sogar (von Seiten der Männer) gewünscht, wenn ich um Hilfe bitte und nicht darauf poche, alles allein zu schaffen? Man kann es sogar in einen Flirt einbauen. Mein Weltbild änderte sich um 180°. Das war das erste Mal, dass ich mit meinen Bedürfnissen in Kontakt trat.


Auch wenn Das Uschi-Prinzip kein literarisches Meisterwerk war, so veränderte es Einiges in meinem Leben. Das Grundprinzip - so sagt es die Ober-Uschi - bestünde darin, sich wie eine Königin zu fühlen und dies auch auszustrahlen. Ich solle geheimnisvoll sein und andere (Männer) für mich arbeiten lassen.

Die Anleitung für ein besseres Leben brachte sogar schnelle Erfolge. Ich führte endlich wieder eine feste Beziehung mit einem sehr tollen Mann und es sah so aus, als wenn er mich wirklich liebte. Ich fand in dieser Zeit außerdem meine Vorliebe für Ratgeber.

Heute weiß ich, dass die eigenen Bedürfnisse der Schlüssel zum Glück sind. Wenn wir sie kennen lernen und sie erfüllen, dann sind wir wirklich wir selbst. Uschi hat schon irgendwie recht, wenn sie sagt, dass es das Gefühl ist, was sich verändern muss. Von heute auf morgen verändert sich natürlich keine komplette Grundeinstellung und kein Gefühl, aber es war der erste Ansatz für meine Veränderung.

Was wie eine abgedroschene Phrase aus Omas Kaffeerunde klingt, stimmt: Erst wenn wir wissen, wer wir sind und dazu stehen, können wir glücklich sein.


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