Von Männern und deren Besessenheit, den eigenen Penis zu vermessen
Mir war schon recht früh klar, dass
Männer (und ja, hier pauschalisiere ich bewusst) gerne den Größten
hätten. Ich wusste nie so richtig warum, denn mein erster Freund
hatte einen so großen Penis, dass unsere ersten Sex-Versuche
kläglich scheiterten. Ich hatte weder den vielfach gepriesenen Spaß
noch bereitete mir der Anblick des riesigen Knüppels in irgend einer
Weise Lust. Als ich das erste Mal seinen Penis anfasste, dachte ich
nur „Der fühlt sich an wie ein Delphin“ - nicht, dass ich eine Flipper-Bessenheit besitzen würde, aber so in etwa stellte ich mir
die Oberfläche eines Delphins vor, ja. Bei meinem zweiten Freund wurde
mir schlagartig bewusst, dass Penisse sich in ihrer Größe deutlich
unterscheiden können. „Wie gehen wohl Männer mit dieser Tatsache
um?“ - fragte ich mich neugierig.
Da ich als Jugendliche starke Komplexe
wegen meiner Figur hatte (obwohl ich weder mollig noch unförmig
war), erschien es mir nur logisch, dass Männer sich hinsichtlich der
Größe ihres Stängels ständig miteinander verglichen. An der
eigenen Figur kann man zum Teil etwas ändern (z.B. ab- oder
zunehmen), am Penis allerdings nicht. Der ist so wie er ist, das
ganze Leben lang. Wie geht ein Mann also damit um, wenn er seinen
Penis als zu klein empfindet? Richtig, er misst ihn aus und
vergleicht sich ständig, um sich entweder die Bestätigung
abzuholen, dass ja doch alles in Ordnung ist oder er erniedrigt sich
immer und immer wieder selbst, um sich in der eigenen
Unzulänglichkeit zu suhlen. Vielleicht tritt irgendwann der Punkt
ein, an dem er anfängt, sich zu lieben oder zumindest zu akzeptieren.
Mir ist erst klar geworden, wie wichtig
vielen Männern die Größe ihres Penis ist, als ich anfing, mich
vermehrt mit Therapie und Beratung zu beschäftigen. Es artetet bei
einigen teilweise schon in eine Form der Besessenheit aus.
Besessenheit deswegen, weil sich so sehr darauf fokussiert wird, den
eigenen Penis als heiligen Gral der Lust anzusehen, dass dabei völlig
außer Acht gelassen wird, dass der Penis des Mannes nur zu einem
Bruchteil dazu dient, die Lust der Frau zu befriedigen.
Penis hier, Penis da. Es geht beim Sex doch nicht nur um den Penis. Nein, er ist nicht die Sonne und alle anderen Sachen umkreisen ihn wie kleine Planeten. Unser Lustempfinden ist deutlich komplexer. Der Penis
leistet seinen Beitrag, klar, aber viele andere Dinge dürfen dabei nicht
vergessen werden, wie z.B. das Kommunizieren der eigenen Bedürfnisse
und Vorlieben, ein gutes Vorspiel und das Wecken der Fantasie. Vorspiel, Stimmung, gute Laune, Romantik - wie auch immer man die definiert.
Ich möchte hier gewiss nicht alle
Männer in eine Schublade stecken, sondern Bewusstsein dafür
schaffen, dass die Größe, Dicke, Form o.Ä. des Penis nicht mal ansatzweise so wichtig
ist, wie viele Männer vielleicht denken.
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